Neu: Reportagen über "Die Anderen auf der Straße"
Bei exklusiven Terminen begleiten wir Menschen, die auf der Straße für uns alle da sind.
Bisher waren wir unterwegs mit:
1 Der ADAC- Straßenwacht
2 Bei einer Busfahrerin der RSVG, einer Verkehrsgesellschaft
3 Einem ADAC -Mobilitätspartner als Abschlepphilfe
Die Storys werden zunächst in Sonderteilen zum Thema Auto bei Rautenberg Media in Troisdorf veröffentlicht.
Exklusiv mit einem Gelben Engel unterwegs
Seit über 70 Jahren im Einsatz, um zu helfen: Ich begleitete einen ADAC-Straßenwachtfahrer bei der Pannenhilfe
Einmal im Leben: So erfüllte der WDR 4 im Februar außergewöhnliche Hörerideen. Auf einem 140 Meter hohen Windrad stehen oder mit den Höhnern auftreten, alles wurde möglich. Meinen schon länger gehegten Wunsch, bei denen mit zu fahren, die tagtäglich für uns im Dienst sind, erfüllte mir der ADAC Nordrhein: Mit einem Gelben Engel unterwegs.
ADAC Straßenwacht: 1700 rollende Werkstätten mit 500 kg Extraausrüstung
An einem regnerischen, nasskalten Wintertag war es soweit. Ich stieg in einen Ford S-Max, vollgepackt mit Computern, diversen Werkzeugen. Ersatzbatterien. Die 1700 Pannenhilfe-Fahrzeuge der ADAC Straßenwacht sind rollende Werkstätten mit rund 500 Kilogramm Extra-Ausrüstung an Bord. Und speziell dafür umgebaut und verstärkt.
Mein Fahrer und ADAC-Pilot: Ulrich Hentschel. Er ist seit über 30 Jahren als Gelber Engel des ADAC in unserer Region unterwegs. Ich begleitete ihn in der kalten Jahreszeit beim Pannen-Hilfsdienst. Denn bei Kälte treten besonders viele Mängel zutage. Und Kälte und Nässe sind mehr als eine nur mechanische Herausforderung für die Gelben Engel. Ich bemerkte schon beim ersten Einsatz, dass ein defektes Auto zwar der Anlass für die Hilfsaktion war, aber dass Männer wie Ulrich Hentschel zunächst einmal dem Menschen helfen. Eine ältere Dame hatte um Hilfe gebeten, weil ihr Auto an einer stark befahrenen Straße einfach ausgegangen war. Der Anblick des gelben Fahrzeugs des ADAC, mit dem wir uns der Dame näherten, beruhigte sie etwas. Sie zitterte noch, denn sie musste einen zuvor erlebten, kleinen Unfall mit geringem Blechschaden und Polizei-Kontakt verarbeiten. Und es war nasskalt.
Straßenwachtfahrer sind Mechaniker...und Psychologen
Ulrich Hentschel sprach beruhigend auf sie ein. Er baute Vertrauen auf. Erst dann fragte er nach dem Schaden. Die Batterie war leer. Und das während des Fahrens. Mit einem Powerpack erweckte Hentschel den Nissan Micra wieder zum Leben. Um einen Pannenbeleg nicht auf der stark frequentierten Straße zu erstellen, bat er die Dame, sie möge wegen der schwachen Batterie vor uns nach Hause fahren. Dort würde er weiter sehen. Sie fuhr einige Meter, die Warnblinkanlage leuchtete auf. Aufgeregt stieg sie aus dem Wagen. Hentschel stieg aus und beruhigte sie. „War ein Versehen.” Vor ihrem Haus erstellte der ADAC-Mitarbeiter ein Protokoll. Die Dame war – wie fast alle Pannenhilfe-Anrufer – ADAC-Mitglied. Im Computer hielt Hentschel Fahrzeugdaten und den Hilfsvorgang fest und riet der Frau, 30 Minuten mit dem Auto zu fahren. Oder einen anzurufen, der das für sie übernehmen sollte. Sie versprach es.
Der nächste Einsatz führte uns zu einem verschlossenen Fiat 500. Mitten in einem Wohngebiet mit herrschaftlichen Häusern. Die Besitzerin hatte beim Spaziergang mit ihrem Hund den Autoschlüssel verloren. Und hatte keinen Ersatzschlüssel. Hund und alle Papiere waren schon zuhause. Ulrich Hentschel versicherte sich erst einmal, dass die fröstelnde Dame wirklich der Fahrzeugbesitzer war. Vorsichtig öffnete er die verschlossene Beifahrertür – wie, verschweige ich wegen Nachahmern – um eventuell den Schlüssel zu finden. Fehlanzeige.
Er informierte die Pannenhilfezentrale West in Dormagen und ließ dort einen Vertrags-Abschleppdienst benachrichtigen. Auf deren Gelände würde der nun unverschlossene Fiat sicher abgestellt und nächsten Morgen in die Werkstatt gebracht. Nach rund einer Stunde war auch das erledigt.
„Wir müssen noch mal zur Dame mit dem Micra. Sie hat ihr Warndreieck vergessen.“ Und das hatten wir hinter ihr eingesammelt. Sie war hoch erfreut und bedankte sich überschwänglich. „Mein Neffe kommt nachher und fährt mit dem Auto eine Runde, so dass ich morgen wieder starten kann.“ Ulrich Hentschel: „Aber wenn etwas nicht klappt, bitte anrufen, wir kommen gerne noch einmal helfen.“
Batterieschäden, Auto verschlossen und Reifenpannen sind die häufigsten Probleme
Der nächste Auftrag für eine Pannenhilfe erschien im großen Display des Einsatz-Computers. Eine ebenfalls ältere Dame hat kurz nach Wegfahrt von ihrem Haus einen Knall gehört. Der vordere, rechte Reifen ihres betagten Twingo war geplatzt. Gott sei Dank bei nur geringem Tempo. Auch hier war erst einmal psychologische Komponente des Pannenhelfers gefragt. Nasskalt, langsam dunkel und dann ein Reifenplatzer - da kann man schon nervös werden. Beruhigend war, dass der Ersatzreifen in Ordnung war und montiert werden konnte. Auf dem nassen Bürgersteig kniend, schob Ulrich Hentschel den Hubwagen unter den Twingo und wechselte mit einem Radkreuz den Reifen. Bei Nässe und mit den alten Schrauben des Pannenfahrzeugs ist das auch kein Vergnügen. Nach rund 40 Minuten war alles erledigt. Der Rat des ADAC-Mannes: Bitte am nächsten Tag sofort eine Werkstatt aufsuchen und einen neuen Reifen aufziehen lassen. Denn - das zeigt auch meine Berufserfahrung - Ersatzreifen können trotz gutem Profil durch einen chemischen Prozess beschädigt sein und so kann sich die Lauffläche lösen. Was besonders bei höherem Tempo böse enden kann. Dankbar und beruhigt konnte die Dame weiter fahren.
Batterieschaden, Auto verschlossen, Reifenpanne: „Jetzt fehlt noch eine leere oder defekte Batterie“, sinnierte ADAC-Engel Hentschel – wieder im warmen Auto sitzend.
Bitte sehr. Zwei exakt solche Aufträge standen an. In einer Nebenstraße stand unter einer nadelnden Zierkiefer offenbar schon länger ein Wohnmobil. Der Besitzer wollte in einem Baumarkt etwas Sperriges einkaufen. Doch sein Fiat Ducato sprang nicht an. Da ein Wohnmobil mehrere Batterien braucht, wies der Besitzer erst einmal auf den offenbar leeren Energiespeicher im Wohnteil hin. Doch da der Ducato die populärste Wohnmobilbasis ist, wusste der erfahrene ADAC-Mann natürlich, wo sich die Fahrzeugbatterie befindet. Das Powerpack hilft dem Langzeitsteher auf die Beine und der Fiat sprang an. „Unbedingt 50 km fahren, damit sich die Batterie wieder etwas auflädt.“ Die Eigner wollten nach Godorf. Von Bonn aus 70 km hin und zurück. Müsste für die Batterieaufladung reichen.
Die Hilfesuchenden werden kurz vor dem Eintreffen angerufen
Beim Wegfahren erscheint der nächste Hilferuf. „Ich bin in 15 Minuten da.“ Die Gelben Engel kündigen sich immer vorher an, damit die Anrufer am Fahrzeug stehen und beide nicht unnötig warten müssen. Ein durchfrorener, junger Mann und ein silberner Golf auf einem einsamen Parkplatz, 251.000 Kilometer hat der VW auf dem Buckel. Und sprang nicht mehr an. Ulrich Hentschel lässt den Golf nach der Starthilfe einige Minuten laufen und sieht auf einem Prüfgerät, dass die Batterie nicht aufgeladen und wieder schwächer wird. Der interessierte Golf-Besitzer bekommt nun eine kleine Vorlesung über Batterie, deren Arbeitsweise und den möglichen Defekt. Die Batterie ist kaputt, eine neue muss her. Die ADAC-Engel haben immer einige, unterschiedlich große und starke Batterien dabei. Ulrich Hentschel bietet an, die neue Batterie sofort zu installieren. Wer nun denkt, der ADAC würde so eine Notlage ausnutzen, liegt falsch. Einmal wird dem Fahrer sofort ohne weitere Abschlepp- und Werkstattkosten geholfen. Zudem ist der Preis für die Batterie mit 99 Euro inklusive Einbau fair. Nach 45 Minuten ist die Aktion erledigt. Bezahlung mit Kreditkarte ist möglich. Der Golf-Fahrer bedankt sich.
„Jetzt fehlt noch ein defektes E-Auto,“ schmunzelt Ulrich Hentschel.
Bei Elektroautos streikt nicht die Antriebstechnik, sondern meistens die Starterbatterie.
Bis zu meinem „Dienstschluss“ beim ADAC Pannendienst passiert nichts mehr. „Übrigens, die meisten Defekte an E-Autos oder Hybrid-Modellen betreffen nicht die Antriebstechnik oder die Speicherbatterie, sondern – wie bei den Verbrennern – die Starterbatterien.“ Auch eine interessante Erkenntnis. Rund 45 Prozent der Defekte, die bei über 3,6 Millionen Einsätzen im letzten Jahr von den Gelben Engeln behoben werden, betrafen die Batterie.
Mein Dank für die interessanten Einblicke geht an Ulrich Hentschel. Ich habe Feierabend, er noch nicht. Er muss noch vier Stunden „gestrandeten“ Autofahrern helfen. Wenn man in meist dankbare Gesichter schauen kann, aber eine durchaus schöne Aufgabe.
Werner Müller
2 Mit einer Busfahrerin der RSVG exklusiv unterwegs
Millimeterarbeit: Souverän steuert Sabine B. ihren 2 Meter langen MAN-Bus durch die oft engen Straßen meiner Heimatstadt
Jeder kennt in unserer Gegend die Busse mit dem RSVG-Logo. Ab 1925 als RSE, seit 1972 als RSVG bringen über 382 Busse rund 18,8 Millionen Fahrgäste jährlich im Rhein-Sieg-Kreis an ihr Ziel. Die Fahrkünste der Busfahrerin Sabine Boukabour konnte ich auf eine dieser Fahrten durch Troisdorf bis nach Lohmar und retour beobachten.
„Mein neuer Van hat 200 PS und ich kann 7 Personen transportieren.“ Wenn Sabine Boukabour mit Bekannten zusammen sitzt und dort eine Runde von ihren Fortbewegungsmitteln schwärmt, reizt es sie, mal einzuwerfen: „Mein Gefährt ist 12 Meter lang, 3 Meter hoch, 2,50 Meter breit. Und wiegt 12 Tonnen. Unter der Haube steckt ein Sechszylinder-Diesel mit 12 Liter Hubraum und 280 PS. Ich kann insgesamt bis zu 80 Leute sitzend und stehend befördern.“ Doch Sabine Boukabour ist eher zurückhaltend, hat eher ausgleichenden Charakter.
12 Liter Hubraum, 280 PS und Platz für 80 Leute
Woher ich das weiß? Ganz einfach. Im Rahmen meiner Reportagen über „Die Anderen auf der Straße“ hatte ich nach einer Mitfahrt bei der ADAC Straßenwacht nun die Gelegenheit, eine Busfahrerin der RSVG, der Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft mit Sitz in Troisdorf, auf einer Tour zu begleiten. Und Sabine Boukabour – eine von zwanzig Fahrerinnen bei der RSVG – chauffierte an diesem Morgen einen MAN NL 283 Lion´s City der Modellreihe A 21. Das profan als Bus bezeichnete Transportgefährt hat nunmal einen 12 Liter-Sechszylinder-Reihendiesel. Als PKW-Fahrer bewundere ich schon immer, wie Sabine B., ihre Kolleginnen und Kollegen die 2,50 Meter breiten und die bis 18 Meter langen Gefährte durch die teils engen Straßen von Troisdorf und die umliegenden Städte und Gemeinden manövrieren.
8 Uhr 12: Start unserer Fahrt mit der Linie 507 ins Industriegebiet am Junkersring. Ziel ist Altenrath und das Schulzentrum in Lohmar. 50 Minuten und 33 Haltestellen in Spich, Troisdorf und Altenrath stehen im Fahrplan. An diesem Morgen ist die Passagierresonanz relativ gering, so dass der Bus an mancher Haltestelle vorbei rollen kann. Nach einer Umschulung fährt Sabine B. seit 10 Jahren für die RSVG im Linienbetrieb. Die Ausbildung zum Fahren eines Busses dauert bei der RSVG übrigens 6 Monate und wird von verschiedenen Fahrschulen im Rhein-Sieg-Kreis durchgeführt.
Mit Seelenruhe millimetergenau an die Haltenstellen
Man könnte meinen, Busfahren sei stressig. Doch Sabine B. winkt ab. Mit einer Seelenruhe manövriert sie das 12 Meter-Gefährt auch durch Engstellen, rollt fast sanft an die Haltestellen heran. Freundlich werden die Fahrgäste begrüßt. Viele davon haben Abo-Tickets. Einige kennt Sabine B. schon als nette Stammpassagiere. „Macht das Fahren immer noch Spaß“? frage ich sie. „Ja, mir auf jeden Fall. Man ist unabhängig. Das Miteinander und das Befördern von Fahrgästen bereitet mir Freude.“ Da ich ganz vorne sitze, kann ich bei jeder Haltestelle erkennen erkennen, wie Sabine B. ganz dicht an die Bordsteinkante heran rollt. Die Haltestellen sind inzwischen fast alle barrierefrei und ermöglichen eine stufenlose Zugänglichkeit und ausreichende Bewegungsfreiheit. Nach dem Industriegebiet führt die Strecke durch die enge Straße Am Landgraben Richtung Bahnhof Spich. Der entgegen kommende RSVG-Kollege grüßt kurz, Sabine B. muss mit ihrem MAN auf den Bürgersteig ausweichen. Verdammt eng, das alles. Auf dem Weg zum Bahnhof in Troisdorf führt die schmale Route noch durch die Telegrafen- und Rodderstraße. Sie hält an. „Warum“? „Da vorne kommt ein Kollege entgegen, den lasse ich erst einmal durch. Sonst wird es zu eng.“
Falschparker sind das grösste Ärgernis für Busfahrer
Sabine B. wünscht sich das auch von den PKW-Fahrern. Sie sollten vorausschauend mal anhalten, um die breiten Busse durchzulassen. Vor allem aber sollten alle rücksichtsvoller parken. Denn das Falschparken – ob PKW oder Paketzusteller – „ist das Ärgernis Nr. 1 für die Busfahrer“, betont Volker Otto, der Geschäftsführer der RSVG. Die Fahrpläne sind minutiös geplant. Und Staus durch Rücksichtslose sind da nicht förderlich. Als Busfahrerin kommt Sabine B. übrigens gut mit ihren fast 300 männlichen Kollegen aus. Gleichberechtigt werden die verschiedenen Touren verteilt. „Wer sich seine Tour aussuchen will, macht die anderen unzufrieden.“ Die Touren werden regelmäßig unter dem Fahrpersonal gewechselt. Die maximale Dienstzeit von 8,5 Stunden können auch schon mal in Früh- und Spätdienst geteilt werden. Für Sabine B. kein Problem. Sie wohnt nur wenige Gehminuten vom RSVG-Standort in Sieglar entfernt.
Dann rollen wir ins Heidedorf Altenrath. Das 1969 von Troisdorf übernommene Dörfchen wurde danach mit vielen neuen Häusern von neuen Bürgern bebaut. Gaststätte Jägerhof, Ortsmitte und dann retour. Mit Wehmut schaue ich auf unser früheres Wohn- und Geschäftshaus an der früheren Lohmarer Straße. Meine Busfahrerin freut sich schon. Denn nun geht es nach Lohmar über die HauptstraßeRichtung Donrath. Dort am Schulzentrum ist Endstation und Sabine B hat eine knappe Viertelstunde Pause. Für die Busse wird in der Woche ein Teil des Parkplatzes freigehalten.
Hybridantrieb und Elektrobusse: Die Zukunft hat bei der RSVG längst begonnen
Um 9.21 Uhr geht es zurück. Wieder über Altenrath und wieder über die Rüttel-Panzerstraße. Am Bahnhof in Troisdorf steigen einige Fahrgäste zu. Manchmal auch verkehrt. Denn die Linien werden zwar angezeigt. Doch nicht immer ist das Fahrziel klar. Und nicht alle Zusteigenden sind der deutschen Sprache und des Lesens kundig. Sabine B. lenkt den MAN A 21 umsichtig auf die von Fußgängern überquerte Kölner Straße und dann wieder Richtung Spich. Nun steigt eine ältere Dame mit Rollator zu und will zur Firma Rahm. Am Iltisweg halten wir. Die Dame steigt hinten aus und Sabine eilt ihr zu Hilfe. Denn die Haltestelle liegt etwas tiefer. Und dann kann der Rollator leicht nach vorne kippen. Die Dame bedankt sich. Und wir rollen über die stauträchtige Überfahrt der A 59 zurück zum Junkersring.
Bei der RSVG in Sieglar, wo ein Teil der 203 eigenen Busse von 20 Mechanikern gewartet und repariert werden, ist für mich Endstation. Ich bedanke mich bei „meiner“ Fahrerin Sabine Boukabour und wünsche ihr noch gute Fahrt für den Rest des Dienstes. Mein Respekt für sie und ihre Kollegen ist noch einmal deutlich gestiegen.
Werner Müller
3 Ein Hoch auf die gelben Wagen
Exklusiv-Reportage im Abschleppwagen: In der Serie „Die Anderen auf der Straße“ begleite ich Nils Staffel vom ADAC-Mobilitätspartner Becker aus Bonn
Der Wetterdienst sagt starken Regen voraus. Das kann ja heiter werden. Also was Wärmeres anziehen und ab nach Bonn. Denn dort, beim Mobilitätspartner des ADAC, beim Becker Auto Service, wartet Nils Staffel auf mich. Im Rahmen meiner Reportage-Reihe über die Anderen auf unseren Straßen kann ich heute beobachten, wie er als Fahrer eines Abschleppwagens im Auftrag des ADAC mit seinen Kunden spricht, wie das Abschleppen und Aufladen vor sich geht und was noch so alles passieren kann.
Bundesweit gibt es 750 Mobilitätspartner des ADAC mit rund 5000 Abschlepp-Fahrzeugen
Nach seiner Ausbildung zum Mechatroniker schulte Nils Staffel auf den Job als Fahrer eines Abschleppwagens um. Und ist nun schon fast 12 Jahren als Gelber “Abschlepp”-Engel des ADAC für das Becker-Team in unserer Region unterwegs.
Das Kerngebiet der Abschlepp- und Bergungsaufträge für die 36 Mann starke Becker-Crew, die auch die Reparaturwerkstatt und den Autoverleih einschließt, liegt im Rhein-Sieg-Kreis. Und der reicht von Heimerzheim im Westen bis nach Neunkirchen-Seelscheid im Osten. 80 Prozent der vom ADAC an die Becker-Crew vergebenen Abschleppaufträge finden in dieser sogenannten Festpreiszone 1 statt.
Da es wenig sinnvoll wäre, für Aufträge quer durch den gesamten Rhein-Sieg-Kreis zu fahren, sind bei Auto Becker nicht nur 20 Abschleppfahrzeuge einsatzbereit, einige davon sind im zweiten Stützpunkt in Siegburg stationiert. Womit der bergische Teil des Rhein-Sieg-Kreises schneller bedient werden kann.
Nils Staffel bekommt vom Disponenten der Firma Becker einen Auftrag. Und wir können starten. Nach dem Einstieg in das stattliche Führerhaus des Mercedes Arctros geht es aus Bonn heraus los. Das Navigations- und Einsatzgerät ist mit der Einsatzleitung in der Becker-Zentrale in der Lambarene-Straße verbunden. Der Fahrer kriegt so alle Infos und Streckenvorschläge ins Fahrzeug gespielt.
Wir fahren – ich bin erstaunt – in meinem Heimatort Troisdorf. Dort wartet im Industriegebiet Spich der Fahrer eines weissen Nissan (Kilometerstand 275.000) auf uns. Beim Verlassen der Rheinfähre hörte der Fahrer ein knackendes Geräusch. Was dann in Troisdorf zum Stillstand des Autos führte. Erste Diagnose von Nils Staffel: Bruch der Feder oder Schaden an der Antriebswelle. Nils rollt bei reichlich Platz vor den Nissan und zieht das Fahrzeug per Seilwinde auf den Abschleppwagen.
Das Anbringen des Seils am Abschlepphaken ist nicht immer so leicht.
„Bei jedem Fahrzeug liegt der Abschleppbügel woanders. Bei manchen Modellen ist er regelrecht versteckt und man muss mühevoll noch irgendwelche Klappen öffnen. Beim VW Up gibt es hinten überhaupt keinen Haken.”
Ruckzuck ist der Nissan aufgeladen. Nils Staffel zurrt das Fahrzeug noch fest. Und ab geht es in die Werkstatt. Moment, die kenn ich doch. Beim Autohaus Stumpfl, einem Spezialisten für Nissan, muss Nils Staffel von der stark befahrenen Mendener Straße ganz schon zirkeln, um den 2,50 Meter breiten und 10 Meter langen Mercedes Arctros 1840 zum Abladen auf den Hof zu rollen. Nach wenigen Minuten ist abgeladen. Beim Autohaus Stumpfl findet man schnell den Schaden am Nissan: Tatsächlich ein Bruch der Feder. Wir fahren mit dem 18-Tonner, der von einem V6- Diesel mit 400 PS und 1850 Nm Drehmoment angetrieben wird und als Neufahrzeug rund 270.000 Euro kostet, zum nächsten Havaristen.
In der Nachbarstadt Siegburg steht mitten auf der Steinbahn, aber auf einer schraffierten, weißen Verkehrsinsel, eine 20 Jahre alte, defekte Mercedes B-Klasse. Der Anblick des gelben Fahrzeugs mit ADAC-Aufschrift, mit dem wir uns dem Mercedes nähern, beruhigte die Fahrerin, eine ältere Dame, sichtlich. Nils Staffel spricht ruhig auf sie ein und fragt nach dem Schaden. Kurzes Anlassen, beim Gangeinlegen hört man heftige Geräusche. “Klingt nach teuer”, so sein Statement. Auch hier könnte die Antriebswelle oder gar das Getriebe selbst defekt sein. Nach dem etwas mühsamen Anbringen des Abschleppseils wird die B-Klasse rückwärts auf den Arctros gezogen. Mit der netten Dame als Begleitung erreichen wir nach wenigen Kilometern (und gutem Wetter) die Stammwerkstatt, in der die B-Klasse regelmäßig gewartet wird. Dort lädt Nils Staffel den Mercedes ab. „Typisch für manche Werkstatt”, kommentiert er beim Wegfahren. Denn ein Mitarbeiter merkte im Beisein der Kundin unwirsch an, warum denn der Wagen nicht in irgendeine, freie Lücke auf dem Gelände geparkt würde. „Wir bringen nur das Fahrzeug. Das Parken auf dem Firmengelände kann dabei nicht mehr unsere Sache sein. Denn wir müssen schnell weiter.” Denn in Spitzenzeiten fallen bei Auto Becker täglich 45 bis 50 Abschleppmanöver an. Gearbeitet wird dabei in gestaffelten 5 Schichten. Besonders häufig gefragt sind Nils Staffel, seine Kollegen und die bundesweit 750 Mobilitätspartner des ADAC mit rund 5000 Abschlepp-Fahrzeugen bei extremer Hitze und vor allem bei Kälte.
Häufigste Gründe fürs Abschleppen: Reifenschäden, defekte Batterien und Motorprobleme
Nils Staffel bringt es jährlich auf etwa 50.000 km im Abschleppwagen. Die häufigsten Gründe für das Aufladen auf den Schleppwagen sind Reifenschäden, defekte Batterien und Motorprobleme. Aber auch simple Bedienungsfehler (etwa bei neuen Modellen) sorgen für Einsätze. Oft können die erfahrenen Mitarbeiter ähnlich wie die Straßenwacht sofort helfen. Etwas kniffliger ist das Helfen bei Elektro-Automobilen. Pannen können behoben werden. Aber bei Reparaturen an der Batterie müssen Nils und eine Kollegen trotz Hochvolt-Schulung passen. Auch beim Anbringen des Seils ist bei Elektrofahrzeugen mehr Vorsicht vor Beschädigungen der Hochvolt-Technik geboten.
Was Nils Staffel im Abschlepp-Alltag besonders ärgert, ist das fehlende Verständnis für die lebensnotwendige Rettungsgasse. Ein PKW-Fahrer, der die Rettungsgasse blockierte, blaffte den ADAC-Mann kürzlich an: „Wenn ich nicht weiterkomme, brauchst Du auch nicht weiter zu kommen.“ Allerdings – so Nils Staffel - sind moderne Luxusmodelle so geräuschisoliert, dass die Insassen von den Signalen der Rettungsfahrzeuge manchmal nichts mit kriegen.
Vor Ort nerven dann häufig die sogenannten Sehleute. Zum Teil sogar die Betroffenen selbst. Dabei ist das Aufladen – etwa durch ein Reißen des Zugseils – für Umstehende nicht ungefährlich.
Servicenummern bei Pannen: Becker Auto Service erreicht man unter 0228/987220 oder man meldet sich direkt beim ADADC unter 222222 und 089-202040000.
Am frühen Nachmittag habe ich Feierabend. Ich steige aus dem hohen Führerhaus und bedanke mich bei Nils Staffel, seinem Chef Heinz Becker und dem ADAC für die aufschlussreiche Mitfahrt. Nach meiner Visite bei der Straßenwacht im Frühjahr und einer Busfahrerin der RSVG im Sommer gilt meine Wertschätzung auch Nils Staffel und seinen Kollegen. Es sind die „Anderen auf der Straße“, die unseren Respekt verdienen.
Werner Müller
